Walter Kempowski, Objekt mit Figuren in Zellen, undatiert. Vorarbeit
zum Echolot.
Kempowski Stiftung »Haus Kreienhoop«
Foto: Roman März
Walter Kempowski, Die sogenannten »roten Bände«,
Materialsammlung für die Deutsche Chronik, 1959 – ca. 1973.
Walter-Kempowski-Archiv, AdK
Foto: Roman März, © AdK
Ausgangspunkt der Ausstellung ist das Zuchthaus Bautzen. 1948 in seiner Vaterstadt Rostock mit 18 Jahren wegen Spionage verhaftet – er wollte über die sowjetische Industriedemontage berichten – und zu 25 Jahren Haft verurteilt, wurde Walter Kempowski 1956 entlassen und ging in die Bundesrepublik. Im Zuchthaus hatte er die erzählten Lebensläufe seiner Mithäftlinge in sich aufgenommen und sein Gedächtnis mit der Rekapitulation seines bisherigen Lebens und der Familiengeschichte geschult. Das Schuldgefühl, die Mutter ins Gefängnis gebracht und die Familie zerstört zu haben, arbeitet er danach in seiner dreifachen Laufbahn als Schriftsteller, Pädagoge und Archivar ab. Nach dem Studium in Göttingen wird der Reformpädagoge Dorfschullehrer, sammelt Dokumente seiner Familiengeschichte und schreibt 13 Jahre lang an seinem Erstling Im Block, der seine Haftzeit verarbeitet. Dieser Zeit von 1956 bis 1969 ist der zweite Ausstellungsraum gewidmet.
Der dritte Raum, der große Quersaal des Akademiegebäudes am Pariser Platz, entfaltet Kempowskis literarisches und autobiographisches Werk vor dem Hintergrund der Familiengeschichte in Rostock und seines Lebens auf dem neuen Landwohnsitz in Nartum, von den Romanen der Deutschen Chronik (mit Tadellöser & Wolff, Aus großer Zeit, Uns geht’s ja noch gold u.a.) über das monumentale Montagewerk Echolot bis zum jüngsten Roman Alles umsonst, der die Vertreibung aus Ostpreußen literarisch verarbeitet. Kempowskis umfassendes Zeitpanorama zeichnet exemplarisch die Geschichte des deutschen Bürgertums von der Kaiserzeit über die Weimarer Republik und den Nationalsozialismus bis hinein in die DDR, die Bundesrepublik und das wiedervereinte Deutschland. Danach verändert die Ausstellung den Fokus und konzentriert sich auf die Darstellung eines einzigen Tags im Echolot, den 1. Januar 1943. Der aus 96 zeitgenössischen Zitaten montierte Text wird von Mitgliedern der Akademie der Künste – u.a. Andreas Dresen, Gisela May, Ulrich Matthes, Hans Neuenfels, Katharina Thalbach, Wim Wenders – akustisch präsentiert. Der letzte Raum breitet erneut die Fülle des Archivmaterials aus; nach Kempowskis biographischem und Werkarchiv ist nun das Biographien- und Fotoarchiv die Grundlage. Aus deren Dokumenten entsteht eine Collage der über hundertjährigen kollektiven Erfahrungen der Deutschen in Wort und Fotografie, in die lediglich Kempowskis Schlagworte Schneisen schlagen.