R o b e r t o P a c i D a l ò /
I s r a b e l l a B o r d o n i

Das Künstlerduo Isabella Bordoni und Roberto Paci Dalò und die von den beiden mitbegründete Künstlergruppe ›Giardini Pensili‹ (Die hängenden Gärten) stehen für ein eher universalistisches denn postmodernes ästhetisches Konzept. Zwei Charakteristika dieses Konzepts fallen zuerst auf: Bordoni/Dalò bevorzugen die Gruppenarbeit, und sie versuchen die klassischen Kunstgattungen in einer Gesamtinszenierung miteinander zu verbinden. Beide Intentionen erinnern an ein barockes Kunstverständnis: Die barocke Invention, die phantasievolle Ausgestaltung großer höfischer Feste in der Barockzeit mit Feuerwerken, mit Aufzügen und mit der Inszenierung von stehenden Bildern und Szenen des Alltagslebens, mit musikalischen und literarischen Darbietungen sowie sinnbildlichen Konstellationen konnte nur in der Zusammenarbeit aller Künstler, die in Diensten der jeweiligen Fürstenhäuser standen, realisiert werden.

In den 60er Jahren versuchten einige Künstler, die sich die bildnerischen wie die literarischen und die musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten angeeignet hatten (z.B. Gerhard Rühm), aus der Konkreten Kunst ein Programm zur umfassenden Ästhetisierung des Alltagslebens zu entwickeln. Bordoni/Dalò haben ein ähnliches Programm aus den Erfahrungen im Umgang mit den elektronischen Medien abgeleitet: Dalò, der virtuose Klarinettist, nutzt für seine Musik nicht nur die traditionellen Instrumente, sondern ganz selbstverständlich auch elektronische Klänge und elektronische Steuerungsprogramme, seine akustischen Environments und Performances leben vom Zusammenspiel beider musikalischen Gerätschaften. Und Bordonis literarische Arbeiten sind assoziative Verwandlungen von Bewußtseinsemanationen, die über die surrealistische Evokation des Irrationalen hinausgehen und das Wissen um die Durchspielbarkeit serieller Sprachpermutationen für die Installation expressiver Assoziationstexte nutzen. Diese bilderreiche Poesie ist subjektiv, hermetisch, der rationalen Deutung kaum zugänglich; ihre schlüssigste Interpretation erfährt sie durch die Rezitation der Schauspielerin Bordoni.

Die (eher dem Knillischen totalen Schallspiel als dem literarischen Hörspiel verpflichteten) Klangkunstarbeiten von Bordoni/Dalò sind Ergebnisse einer offenen, nichtnormativen ästhetischen Praxis. Für den subjektiven künstlerischen Arbeitsprozeß bedeutet das: Akustische Zeichen und Zeichenfolgen werden auf ihre klangliche Attraktivität, auf ihre Verweiskraft auf das Besondere im Allgemeinen und auf ihre Symbolkraft hin ausgewählt und arrangiert. Die ›Komposition‹ ist immer eine gleichzeitige Einbindung in sprachliche Muster und in musikalisch-mathematische Strukturen. Das macht den Reiz ihrer Klanginstallationen wie ihrer Radiokunstproduktionen aus. Die sprachlichen Rhythmen sind musikalisch oder grafisch organisiert, und die musikalischen Strukturen folgen wechselnden rhetorischen Figuren und wechselnden Sprachmustern: Mal sind es narrative Gebilde, mal frei assoziierte, mal serielle. Die gleichsam in einem musikalisch-literarischen Formenabgleich entwickelten Stücke gewinnen somit einen theatralischen Charakter, und sie haben (hervorgerufen durch ihre innere Mehrdimensionalität) etwas Skulpturhaftes. Der Text, die Partitur, die Zeichnung, das ›Buch‹ bleiben als Objekte Fragment; die jeweilige Performance ist die immer neue Verwirklichung, eine immer wieder andere Interpretation. Diese formale und inhaltliche Offenheit ihrer künstlerischen Arbeit ermöglicht dem Künstlerduo Bordoni/Dalò die realtiv konfliktfreie Zusammenarbeit mit anderen Musikern, Schauspielern, Poeten oder bildenden Künstlern in einer szenischen Gruppenarbeit. In diesem Sinn folgen die ›Giardini Pensili‹ der Utopie einer freien Vereinigung von Künstlern, wie es in der Barockzeit zum Beispiel die Pegnitz Schäfer waren.

Manfred Mixner



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