Dienstag, 13.8.


Sonambiente filmreihe

20.00: Von der visuellen Musik zum Musikvideo -
Kurzfilmprogramm I

"In der Nacht" von Walther Ruttmann (1931), "Komposition in Blau" (1935) und "Motion Painting No 1" (1947) von Oskar Fischinger, "Swinging the Lambeth Walk" (1939) und "Color Cry" (1952) von Len Lye, "Begone Dull Care" (1949) von Norman McLaren, "Yantra" (1950-57) von James Whitney, "The Third Reich'n'roll" (1977) und "Hello Skinny" (1979) und "One Minute Movies" (1979) mit "The Residents", "America is waiting" (1982) von Bruce Conner, "Rhythmus 94" (1994) von Thomas Renoldner, "Songs for Swinging Larvae" (1981) von Graeme Whifler mit Renaldo & the Loaf.

Dieses Programm erzählt die Geschichte der visuellen Musik und der musikalischen Film-Vision, ohne die das aktuelle Bild/Tongewitter von MTV & Co nicht möglich geworden wäre. Am Anfang steht "In der Nacht" von Walther Ruttmann, der 1931 eine Komposition Schumanns in Bild und Bewegung auflöste.



Dann Oskar Fischinger:


in "Komposition in Blau" ist ein absoluter Klassiker, in dem visuelle und akustische Bilder sich gegenseitig steigern und erhellen; in "Motion Painting No 1" visualisiert Fischinger 10 Jahre später ein Concerto von Bach, als wäre es Malerei. Über die pure filmische Malerei hinaus geht Len Lye, der in "Color Cry" das Man Ray'sche Prinzip von der Rayographie im Film perfektioniert und in "Swinging the Lambeth Walk" einen englischen Volkstanz in einen rhythmischen Bilderreigen umwandelt. In der direkten Tradition von Fischinger und Lye arbeiten Norman McLaren und Evelyn Lambart, die in "Begone Dull Care" die Klänge Oscar Petersons mit einer direkt auf das Zelluloid gekratzten und gemalten Bildspur illustrieren. Nach ihrem poetischem Essai über Farbe, Form und Takt folgt die prä-psychedelische Betörungskunst von James Whitney, dessen ätherischer Film "Yantra" die Auflösung der Grenzen zwischen Filmbild und Tonspur in einem kosmisch-cinematographischen Ganzheitserlebnis praktiziert. Zum bizarren Hochgenuß und als Abschluß schließlich einige der strangesten Musikclips, die das Genre je hervorbrachte: Bruce Conner und seine von Brian Eno und David Byrne untermalte Abrechnung mit den USA, "America is waiting", und die seltsamen Clips aus dem Hause Ralph Records: geheimnisvolle Fotocollagen ("Hello Skinny"), Anklänge an die Papiermenschen und Visionen der Dadaisten ("The Third Reich'n'roll") zur Musik der Residents; schließlich ein ab-gründiges Kidnapping mit der sehr schrägen Musik von Renaldo & the Loaf. Have fun!

22.00 Uhr: Der Tonfilm-Umbruch und die europäische Avantgarde DIE MELODIE DER WELT von Walter Ruttmann
Buch & Regie: W. Ruttmann, Kamera: Wilhelm Lehne, Rudolph Rathmann, Musik: Wolfgang Zeller. D 1929, 16mm, s/w, 55 Minuten.

"Die Melodie der Welt" diente einem kommerziellen Zweck; der Film wurde von der Hamburg-Amerika-Linie finanziert und sollte das Publikum für den Gedanken einer Seereise gewinnen. Zugkräftiger als mancher Spielfilm, war dieser Werbefilm ein anerkannter Kassenschlager. Die Symphonie der Schiffssirenen im Hamburger Hafen, diese beinahe abstrakte Komposition von tiefen und hohen, langen und kurzen Tönen in wechselnden Rhythmen, wurde bald ein unzählige Male nachgeahmtes Vorbild für viele Filme. Pudovkin erklärte in überschwenglicher Begeisterung, hier sei die einzig richtige Art einer künstlerischen Anwendung des Tones gefunden worden, und die reichhaltige Auswahl der musikalischen Themen aus aller Welt (...) sicherte Ruttmann einen idealen Spielraum für vielfältige Kombinationen der bildlichen und musikalischen Bewegung. (Hans Richter, Der Avantgardistische Film in Deutschland, 1951)

Das Ziel war: ein musikalisches Gegenspiel des Films zu geben, das die naturalistisch fotografierten Geräusche vorbereitet und fortsetzt - und dabei doch voll und ganz Musik bleibt. In Anlehnung an die Musikalität des Bildschnitts sollte eine musikalische Folge entstehen, die die Bilderfolge kontrapunktiert und steigert. (Wolfgang Zeller im Programmheft, 1930)

DIE DONBASS-SYMPHONIE (ENTUZIAZM) von Dziga Vertov
Buch & Regie: D. Vertov, UdSSR 1931, 16mm, 67 Minuten

Vertovs erster Tonfilm ist in die Filmgeschichte eingegangen durch seine programmatische und richtungsweisende Behandlung von Bild und Ton als zwei verschiedenen, aber gleichberechtigten Einheiten. Die Klänge von Maschinen, arbeitenden Menschen, Stimmen, Musik und Liedern wurden unabhängig von den Dreharbeiten aufgenommen und assoziativ zum Filmbild gefügt. Vertov selbst nannte den Film "eine Symphonie des Lärms", er zeigte sich beeinflußt von den Schriften der Italienischen Futuristen und lieferte mit der "Donbaß-Symphonie" die erste filmische Umsetzung des berühmten Tonfilmmanifests, das Pudowkin, Alexandrow und Eisenstein 1928 verfaßt hatten und das die Forderung nach einem "Orchestralen Kontrapunkt" visueller und akustischer Bilder formuliert hatte.


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