Jowagerli wird am 3.9.,20.00 uhr im hebbel theater gespielt.


D i e t e r S c h n e b e l
"Lueg, hört isch d’Erde gsi, un selle Berg het Belche ghaiße! Nit gar wyt dervo isch Wislet gsi; dört han i au scho glebt un Stiere gwettet, Holz go Basel gfüehrt un broochet, Matte graust un Liechtspöö gmacht un gvätterlet bis an my selig End." Solche Sätze sind voller Wirklichkeit: Namen bezeichnen markante Punkte der Landschaft, Orte, wo Menschen sich niedergelassen haben, und ihr Leben wird in wenigen Worten anschaulich: Handel und Wandel, Arbeit in Stadt und Land, verspielte Häuslichkeit bis hin zum Tod. Die Worte tönen kräftig, gar etwas rauh, gewinnen am Ende warmen Klang, und ihr Rhythmus ist zunächst von fast dramatischer Gestik, die dann in strömende Bewegung übergeht. Johann Peter Hebel schrieb seine alemannischen Gedichte von 1800 bis 1802 und hat später nicht mehr in Mundart gedichtet.

In Jowaegerli wird die alemannische Sprachmusik Hebels mit einer entsprechenden Musiksprache versehen, in der die Töne und Geräusche in ihrer Weise von Vergängnis und Werden sagen und singen.

Die Klänge von Schalmei, Trompete, Gitarre und Handharmonika beschwören das ›Land‹ und in Instrumenten wie ›Schotterspiel‹, ›Wassermühle‹ und ›Windmaschine‹ ertönt es selbst in seinen Elementen. Die einkomponierten Texte Hebels bringen die alemannische Sprachmelodik unmittelbar zu Wort, und sie sagt in Sinn und Klang ebenso welthaft als individuell wie es in Wirklichkeit steht und wohin es geht, und sie bleibt zudem Musik, die in ihrer Weise von Utopie singt, nämlich von dem, was "allen in die Kindheit scheint, und worin noch niemand war: Heimat" (Ernst Bloch).

Dieter Schnebel

aus: Programmheft zur Uraufführung von Vergänglichkeit, Musik von Dieter Schnebel, Theater- u. Bildversion von Achim Freyer, 12.5.1991, Hamburgische Staatsoper




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