PERKS, uraufführung Samstag 10.8., 20 und 22 uhr, im ballhaus naunynstraße 27.


J o n R o s e


Jon Rose: Komponist, Dekomponist, Leiter, Akteur
Phil Minton: Gesang in der Rolle von Percy Grainger
Stevie Wishart: Leier, Elektronik, Gesang; tritt als Musikerin häufig in Konzerten für alte Musik auf und forscht im Bereich der Musik des Mittelalters und der Renaissance
Simon Biggs: Gestaltung des interaktiven Videosystems; arbeitet im Bereich Computeranimation und entwickelt und entwirft interaktive Software
Rainer Linz: Sampler, Computer; zählt zu den Komponisten der Neuen Musikszene Australiens, über die er auch Aufsätze und Bücher veröffentlicht
Konstanze Binder: Video, Fotos; arbeitet als Filmregisseurin mit den Themenschwerpunkten improvisierte und Neue Musik


›Space‹ ist nicht die letzte Grenze und auch Cyber-Space ist das nicht… es ist das Gehirn oder zumindest unser Verständnis davon, wie es wirklich funktioniert. Jon Rose präsentiert eine einfache Analogie. Der Badminton-Platz repräsentiert das Gehirn, die zwei Badminton Spieler spielen die Rolle der rechten und linken Hemisphäre. Es ist das Gehirn des einstmaligen australischen Musikgenies und Eigenbrödlers Percy Grainger, ein Mann, der einige der inspiriertesten und schönsten Innovationen in der Musik des 20. Jahrhunderts erschaffen hat und gleichzeitig dazu imstande war, die deprimierendste rassistische Bigotterie an den Tag zu legen. Dieses Stück ist ein satirisches Fest auf den ›Jekyll and Hyde‹ in seinem Geist … und vielleicht in unserem eigenen.

Die ›Gedanken‹ der Spieler sind immer laut und klar zu hören (die Stimme der deutschen Version gehört Chang Hsien-Chen). Sie reagieren aufeinander (wie Sportsleute es eben tun!) mit persönlichen Kommentaren, falschen philosophischen Erklärungen, gelegentlichen Schimpfworten und Beobachtungen zum evolutionären Kampf.

Auf jedem der Schläger und dem Netz sind Kontaktmikrofone und Accelerometer befestigt, sie greifen aleatorisch auf musikalisches Material zu. Die Bewegungen der Schläger steuern zusätzlich Tempo, Rhythmus, Raumverteilung, Lautstärke etc. Die Badmintonschläger liefern auch die digitalen Informationen für die interaktive Animation, die in Perks benutzt wird. Diese Bilder sind Videoporträts der menschlichen Spezies, die als digitaler Tanz präsentiert werden: ein Paradigma der Evolution (oder des Fehlens von Evolution, je nach Standpunkt!). Die verschiedenen Stämme sind vertreten … seltsam genug, sie scheinen alle Badminton zu spielen!

Die interaktiven Klänge, die in Perks verwendet werden, sind digitale Fassungen von Keyboard, Perkussion und den selbstgebauten elektronischen Instrumenten (›Free Music‹-Instrumenten), die im Grainger Museum in Melbourne aufbewahrt werden.

Jon Rose

"Jeder Mensch muß ein Thema haben, das ihn zum Wahnsinn treibt; sich mit weniger zufriedenzugeben, ist verrückt."Percy Grainger

Percy Grainger wurde 1882 in Melbourne, Australien, geboren und starb in White Plains, New York, 1961. Obwohl er zu seinen Lebzeiten großes Ansehen als virtuoser Pianist und Komponist von Easy-Listening Musik hatte, wurde er von Freunden zeitgenössischer Musik auch als Innovator und eigensinniges Genie gepriesen. Er sah viele Musikkonzepte des 20. Jahrhunderts voraus und experimentierte mit ihnen, bevor sie durch die Werke anderer Komponisten bekannt und anerkannt wurden. Zum Beispiel antizipiert Graingers The Warriors, geschrieben 1913, Charles Ives wegen seines Einsatzes einer Blaskapelle hinter dem Podium, seiner rhythmischen Komplexität, der großen Anzahl gestimmter Perkussionsinstrumente, der zu all dem nötigen zwei Dirigenten und des Ausbruchs stechender Dissonanzen in einem grundsätzlich tonalen Stück. Random Round von 1912 nimmt dagegen die unbestimmte, aleatorische Musik von John Cage und Stockhausen vorweg (in dem Stück können die Musiker einsetzen, wann immer sie wollen… für improvisierende Musiker kein sehr neuer Gedanke, aber für die damalige komponierte Musik ziemlich radikal!). Während seiner ganzen Karriere versuchte Grainger das Konzept von ›Free Music‹ zu realisieren, einer Musik, die frei von den tonalen und atonalen Strukturen westlicher Musik ist. Gegen Ende seines Lebens baute er (mit Burnet Cross) eine Anzahl von ›Free Music‹-Maschinen aus industriellem Abfall und Müll, die nichtharmonische und glissandierende Klänge produzieren konnten. Zusammen mit Béla Bartók war Grainger ein Pionier auf dem Gebiet von Aufnahme (auf Wachszylindern), Transkription, Förderung und Gebrauch von Volksmusik… besonders der von Großbritannien, Skandinavien, Neuseeland, Indonesien, Polynesien, Japan und China. Grainger konstruierte auch ›unspielbare‹ Klaviermusik lange vor den Kompositionen von Conlon Nancarrow.

Aber wegen seines extremen persönlichen Verhaltens ist Grainger nicht bekannt; er war sportbesessen (er rannte häufig von Konzert zu Konzert), ein passionierter Flagellant und Sadomasochist (er besaß eine Sammlung von mehr als 70 Peitschen), ein rassistischer Fanatiker, häufig mit Inzestfantasien beschäftigt (obwohl er, zum Glück für sie selbst, keine Kinder hatte), etc. Grainger war der Traum für Psychoanalytiker … oder der Alptraum.

Seine bevorzugten Komponisten? Bach, Duke Ellington und Delius.




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