P a u l P a n h u y s e n
Kunst für das Jetzt, für das Leben, wie Paul Panhuysen einmal formulierte, beruht nicht auf einem fest zementierten Werkbegriff. Sie ist situativ gebunden. Die zeitlichen Transformationen von Räumlichem sind von begrenzter Dauer. Diese Kunst ist zerbrechlich wie das Leben.

Eine materialspezifische Bindung hat sich für den Maler und Bildhauer bereits in den 60er Jahren unter dem Eindruck der Fluxusbewegung aufgelöst. In den Situasies (1964) für Straßen, Plätze und Parks, an Happenings oder Events erinnernd, erkundete er, wie Sehen und Hören sich integrieren und wechselseitig verändern. 1965 entstand die erste Klangskulptur aus Musikinstrumenten, die in Konzerten gespielt wurde. Seit 1982 baut Panhuysen Installationen mit langen Saiten. Ungefähr 200 wurden inzwischen entworfen. Darin können vorgefundene Objekte eingelassen sein. Ihre dinglichen Verkrustungen oder ihre funktionale Bestimmung (z.B. als herkömmliches Musikinstrument) lösen sich in der Resonanz mit dem umgebenden Klang auf. Daneben sind bis in die jüngste Zeit Zeichnungen und Siebdrucke entstanden, mit denen geometrische Formen systematisch permutiert werden. Die Zahlenverhältnisse, auf denen sie beruhen, verwandeln sich im sinnlichen Eindruck zu Bewegung suggerierenden neuen Formen. Ein zentrales Thema von Panhuysen ist die Überführung geschlossener Systeme in offene Zustände. Auch die Klanginstallationen, die als dreidimensionale ›Zeichnungen‹ mit Stahlsaiten verstanden werden können, stellen Modulationen von tonsystemlichen Kalkulationen dar. In den Interferenzen der Schwingungen im Wechselspiel mit den plastisch-räumlichen Eigenschaften ergeben sich auch hier unvorhergesehene Konstellationen von sich bewegenden Klängen. Trotz der Ähnlichkeit des akustischen Eindrucks wäre der Klang der schwingenden Saite nicht durch eine elektronische Synthese ersetzbar. An den Gegenständen selbst soll die Möglichkeit einer neuen Erfahrung freigelegt werden. Sie ist nicht durch ein künstlerisches Objekt kontrollierbar, weil die Natur der Dinge und die sie umgebende Natur zu Mitspielern werden.

Helga de la Motte-Haber



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