R o l f J u l i u s Konzert für einen gefrorenen See, Konzert für eine Glasscheibe und zwei kleine Lautsprecher, Musik für einen gelben Raum presto, Musiklinie Konzert für einen Strand, Musik für die Augen, Musik ganz oben. In den von Rolf Julius neu geformten Gegenständen und Ansichten des Raumes ist oft die Wechselwirkung von akustischer und visueller Wahrnehmung bedeutsam. Bereits die Titel, die Julius für seine Installationen wählt, sind synästhetischer Natur. Und wenn nicht bereits die Titel auf intermodale Qualitäten verweisen, so evozieren doch die Klänge visuelle Vorstellungen. Klänge erscheinen schwarz oder gelb, nah und entfernt. Julius arbeitet mit ganz einfachen Mitteln, alltäglichen Gegenständen, Klängen und Geräuschen mit nur minimalen Änderungen. Ein Klavierton (Musik für eine Ruine, 1984) veränderte mittels eines kleinen Lautsprechers das Format eines Fensters und lenkte den Blick hindurch wieder zurück. Simple Summer liefern oft das Material seiner Installationen, zuweilen auch Naturgeräusche wie Wind, Atem, das Zirpen von Zikaden. Winzige Veränderungen werden vorgenommen, zum Beispiel eine kleine zeitliche Verzögerung. Intendiert ist eine Musik, die immer da sein soll, deren Permanenz aber auch ihr Verschwinden und das Verschwinden von Lärm bewirken kann. Grau (1991) sah in einem sehr großen Raum, in den von draußen tosender Verkehrslärm eindrang, vier grau pigmentierte Glasplatten vor, die in der Mitte einen Schlitz und darunter einen leise summenden Lautsprecher besaßen, dessen Schwingungen manchmal, manchmal auch nicht, kleine Veränderungen der Pigmentschicht hervorriefen. "Akustische Löcher", sagt Julius, habe er damit konstruiert. Konnte sich der Besucher in den akustischen Löchern versenken, damit vor dem Verkehrslärm schützen und Ruhe finden? Wenn man seine volle Konzentration auf etwas lenkt und sei dies auch ganz leise und nur mit minimalen Veränderungen ausgestattet, dann stoppt der menschliche Aufmerksamkeitsmechanismus die sonstige Informationszufuhr. In einer sehr lauten Umgebung ist dadurch in der Tat ein schützendes akustisches Loch möglich, in das man sich hineinversenken kann. Wer (jedoch) in dieser Installation Grau aus der Schutzzone der Ruhe heraustrat, was bedeutete, daß er seine Aufmerksamkeit rundherum verteilte, fand für sein diversives Verhalten einen optischen und akustischen Anhaltspunkt an einem Fenster, wo Zikadenklänge aus einem Lautsprecher den Verkehrslärm modulierten. Die Verteilung der Aufmerksamkeit ermöglichte erneute Konzentration und Rückkehr in einen Raum der Stille. Julius macht Räume subjektiv, zugleich veränderlich. Er gewährt Zonen der Konzentrationen und Ruhe, die ausgedehnt und groß sind, wenn man sich in ihnen befindet, auch wenn sie in Metern bemessen klein erscheinen. Helga de la Motte-Haber aus: Helga de la Motte-Haber, Räume der Stille in Musikpsychologie 9, 1992 |