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P a u l D e M a r i n i s ’ Arbeit erweckt immer den Eindruck einer fremdartigen Logik. Diese wird nachvollziehbar beim Hören der perfekten Wiederholungen, der endlosen Variationen und bei dem unaufhörlichen Spiel seiner ersten Komposition des Pygmy Gamelan (Zwergen-Gamelan). Dieses Werk ist in der Form eines einfachen Schaltkreises auf einer Platine in Plexiglas gegossen. Der Klang der Schaltung wird von einer kleinen Anzahl Filter erzeugt, die sich wie ein ›richtiges‹ Gamelanensemble verhalten. (Also erklärt der Titel gleichzeitig etwas über das Stück und gibt einen ironischen Kommentar zu der im technologischen Denken üblichen Verflachung von Unterschieden.) Gespielt wird das Gamelan von einer Schaltung, die die allgegenwärtige elektromagnetische Aktivität der Umgebung in eine Pulsfolge übersetzt. Die Pulse ›läuten‹ an einer kleinen Sammlung sorgfältig gestimmter Doppel-T-Filter, aus denen das Gamelan besteht. Die Pulse werden ebenfalls wiederholt und mit einer Logikschaltung variiert, die, um es mit ›Blue‹ Gene Tyranny’s wundervollen Worten zu sagen, "das Gefühl einer Bedeutung erzeugt".

Anfangs berührt einen die Sanftheit und Schönheit seiner Klänge. Später wird man von den Variationen und dem konstanten, aber unregelmäßigen Wechsel des Vorhersagbaren und Nicht-Vorhersagbaren angesprochen. Zum Schluß wird klar, daß es niemals aufhören wird. In diesem Moment wird, während man auf die kleine grüne Platine schaut, das, was einfach bezaubernd war, erbarmungslos.

Diese unerbittliche Qualität des elektronischen Prozesses ist das Herzstück einer anderen Komposition aus der gleichen Periode. In Great Masters of Melody erfindet eine Schaltung endlos Melodien, die ein Interpret vorausahnen und gleichzeitig mit der Schaltung spielen muß. In gewissem Sinne ist das Stück eine Mini-Metropolis, eine negative Utopie, in der der Interpret niemals der Produktivität der Maschine entsprechen kann. Aber ›Versagen‹ ist in dieser Situation kein Nachteil, es ist lediglich ein Bestandteil des Aufführungsprozesses. Der wirkliche musikalische Kernpunkt des Werkes sind die Möglichkeiten einer Musik in einem Umfeld ohne Gedächtnis, das nur eine gnadenlose Vorwärtsorientierung kennt.

In seiner derzeitigen Arbeit konzentriert sich DeMarinis auf Sprachsynthese, die Entdeckung melodischer Muster in gesprochener Sprache und auf die physikalische Natur von Aufnahmemedien. Damit ist er auf dem Feld seiner grundsätzlichen Interessen tätig. Die Extraktion von Melodien aus der Sprache stellt auf rein hörbare Weise eine Art Kurzschluß getrennter Wissenssphären dar, die auf einem CD-Hologramm materialisiert sind. Die schlechte Wiedergabe von antiquierten Wachszylindern zwingt unsere Aufmerksamkeit auf die Tatsache, daß die Sprecher dieser Aufnahmen heute tot sind, so wie es vielleicht auch der nichtsynthetische Sprecher ist, der die Geschichte des Schlachthofes intoniert.

Ron Kuivila



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