Benutzen Sie den Text zur Navigation
T r i m p i n
Der Komponist und Klangskulpteur Trimpin – Sproß einer angesehenen Musiker- und Uhrmacherfamilie mit großem Basteltalent – wollte wie so viele Einwanderer vor ihm in den USA sein Glück machen. Doch im Unterschied zu früheren Generationen suchte Trimpin im Westen nicht etwa nach einem neuen Leben, sondern nach Schrott. Im heimischen Schwarzwald gab es nur wenig von denjenigen weggeworfenen High-Tech-Materialien zu finden, die ihm als Rohmaterial für seine Kunst dienen. Und so arbeitet er heute in einem Atelier in Seattles Künstlerviertel. Die hohen Wände sind mit Mundstücken verschiedener Blasinstrumente und Bruchstücken von Holzschnitzarbeiten geschmückt – ausgeschlachtete Celli und Sousaphone. Der Raum selbst ist überfüllt mit unzähligen elektronischen Bauteilen und ausgelöteten mikroelektronischen Schaltungen, die aus Kadavern alter Computer und Geräten der Kommunikationselektronik stammen.

Der kinästhetische Einfluß der Musik auf den menschlichen Körper hat den Künstler schon in seiner Jugend fasziniert. "Als ich acht Jahre alt war", erinnert er sich, "nahm mich mein Vater mit in den Wald, um Musik zu machen. Es war eine großartige Erfahrung, obwohl wir nur einfache Duette für Flügelhörner spielten. Diese Echos! Mir wurde erstmals bewußt, was Akustik ist, und von da an wollte ich immer über das hinausgehen, was man normalerweise spielen kann".

Mit seinen Schrottschätzen wollte Trimpin in den USA weitere Hördimensionen erforschen. Musik bestand für ihn nicht länger nur aus Melodien und Harmonien, sondern er fügte ihr die zusätzliche Dimension des akustischen Raumes hinzu und änderte gleichzeitig ihre Aufführungsbedingungen. Während konventionelle musikalische Formen aus Tönen, Tonhöhen und Tempo eine abstrakte Sprache erzeugen, die von einer unendlichen Zahl Spielern und Instrumenten endlos übersetzt und transformiert werden kann, ist Trimpins Musik an einen speziellen Ort gebunden und so exakt in die physikalischen Umstände eingebettet, daß sie nicht auf andere übertragen werden kann.

Trimpins Kompositionen beinhalten die Entwicklung neuer Notationssysteme zur Strukturierung der Klänge und die der dazugehörigen Instrumente. Zwar werden diese Instrumente mit verschiedenen Sensoren und Computerrelais elektronisch aktiviert, ihr Klang bleibt jedoch akustisch. Die Töne werden ›live‹ von abgeänderten Musikinstrumenten, natürlichen Materialien, gefundenen Industrieobjekten und – manchmal – von den Naturgewalten hergestellt. Da Trimpin "die menschlichen Fähigkeiten erweitern" möchte, verwischen sich die Unterschiede zwischen dem Menschlichen, Natürlichen und Konstruierten.

Trimpins schrullige Apparate erinnern ein wenig an die Arbeiten der Dadaisten, die ihre poesiebegleitende Geräuschkunst in der Nähe von Trimpins Heimat erfanden. Seine Stücke sind aber auch Abkömmlinge der Kuckucksuhren, die in den blitzblanken Pfefferkuchenhäusern Mitteleuropas schlugen. Trimpin kombiniert den Geist eines Künstlers mit dem Intellekt eines Wissenschaftlers, der ästhetische Erkenntnisse aus den Gesetzen der Physik zieht.

Jake Seniuk

aus: Jake Seniuk, ›Trimpin’s Music, Composer/Sound sculptor. Trimpin’s Interactive Installation Plays Music for the Rainy Season‹ in on center, hrsg. v. Friends of the Port Angeles Fine Arts Center



Home | Kunstwerke | Schauplätze | sonambiente live
Werk | Biografie | Essay | Werkschauplatz