D a v i d M o s s / B e r t N o g l i k
Er erfindet neue Klänge und versetzt bekannte Sounds in einen ungewöhnlichen Kontext. Das Alltägliche liegt dabei dicht neben dem Exzentrischen und umgekehrt. David Moss hat früher als viele seiner Kollegen erkannt, daß Musikmachen mit Entscheidungsfindungen zu tun hat, mit immer rascheren Schnittfolgen, Entgegensetzungen und Verknüpfungen. Sich der Vielzahl von Bedeutungen bewußt, weiß Moss den Kreis der konventionellen Konnotationen von Musik lustvoll und provokativ zu durchbrechen. Er zerstört gewohnte Zusammenhänge und schafft überraschende Verbindungslinien, Soundways, Klangräume, sich überlagernde akustische Signale, Klänge mit Aufforderungscharakter, Verdichtungen vokaler und instrumentaler bzw. technisch produktiver/reproduktiver Aktionsebenen.

Nicht von ungefähr nennt Moss eines seiner Projekte Physical Acts. Er geht vom Körperlichen des Musikmachens aus, er weiß seine Aktionen zu magischen Ereignissen zu steigern, und er findet zurück zur puren Physikalität, zur sinnlichen Erfahrung und Präsenz des Klanges. Moss begann als Schlagzeuger. Auf der Suche nach der eigenen Sprache auf dem Instrument gelangte er zu eigenwilligen Konstruktionen und Kombinationen unterschiedlichster Klang-Rhythmus-Erzeuger. So wurde aus dem Drummer ein Multi-Perkussionist. Im Bestreben, sich selbst noch stärker einzubringen, kam Moss dazu, simultan mit dem Spiel auf diversen Objekten seine Stimme, ein ursprüngliches Medium musikalischer Mitteilung, einzusetzen.

David Moss Solo: Das ist eine Begegnung von Expressivlauten, mit Händen, Füßen und Stimme in Bewegung gesetzt, begleitet von Materialschlachten, elektronischem Kleinkram oder wunderlichen Artefakten. Die ›Dense Band‹ macht dem im Titel versteckten Wortspiel alle Ehre: wilde Tanzbarkeit im Verein mit Verdichtung der einfließenden Impulse. Das abenteuerliche Quellenverzeichnis der Inspirationen hat Moss mit My Favorite Songs anklingen lassen: von Bach bis Coltrane, von Ethno-Beats bis Prince. Keine Spur von musikalischer Appetitlosigkeit, eher die Qual, sich durch eine immer dichter mit akustischen Zeichen besetzte Umwelt einen Weg zu bahnen. Five Voices, so der Titel eines Projektes, setzte mit unverwechselbaren Stimmen zugleich Charaktere in ein Spannungsfeld. Von da ist es nur ein Schritt zu einer musikalischen Dramatik, die nicht den herkömmlichen Gesetzen des Theaters verpflichtet ist.

Bert Noglik

Hauptkompositum der Survival Songs sind die Charaktere der Singenden: die im Iran aufgewachsene und derzeit im Westen lebende Sussan Deyhim, die Afroamerikanerin Jeanne Lee, der Engländer Phil Minton, der Amerikaner David Moss und die aus dem asiatischen Tuwa stammende Sainkho Namchylak.

Individualität und Ausdrucksspektrum der Stimmen, Kraft und Differenzierungsvermögen vokaler Mitteilung bilden den Ausgangspunkt für thematische Bezüge, die mit dem Personenensemble ins Spiel kommen: Migration und Emigration. Zusammenprall und Aufeinandertreffen von Kulturen, Wanderungsbewegungen im weitesten Sinne des Wortes.

Die Solostimmen leuchten allein wie auch im Verein mit oder in Kontrast zu anderen auf. Survival Songs folgt weder einer konventionellen Handlung noch der Dramaturgie einer Oper, sondern macht das Erlebnis der Stimmen zum Ereignis.



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