R o b i n M i n a r d
Bei den Klanginstallationen Robin Minards und den ästhetischen Ideen, von denen sie getragen sind, handelt es sich um den Versuch, das Konzept einer ›funktionalen Musik‹ im Kontext der uns umgebenden Klang-Umwelt neu zu definieren.

Seine Installationen gehorchen der Notwendigkeit, die in der physischen und psychischen Belastung des Menschen durch die akustische Umwelt, durch Lärm und Dauerbeschallung liegt. Musik, die Teil der Geräusche der Umgebung ist, sie sogar in ihre Gestaltung mit einbezieht, soll die Funktion haben, den hörenden Menschen zu entlasten und ihm neue Dimensionen der Raum- und Klangwahrnehmung der Orte zu eröffnen, in denen er lebt. So paradox es klingen mag, Sound Environments sollen inmitten der Fülle von akustischen Reizen Refugien derStille schaffen, Räume akustisch angenehmer gestalten und die Wahrnehmung auf die klanglichen Qualitäten der Architektur und umgekehrt auf die architektonischen, sprich räumlichen Qualitäten von Klang lenken. In diesem Konzept ist dem Künstler seine gesellschaftliche Funktion wiedergegeben, aber weder als ›agent provocateur‹ noch als einsamer von der Gesellschaft isoliert Schaffender, der im dialektischen Prozeß von Tradition und Fortschritt die Entwicklung des musikalischen Materials vorantreibt. Sein Werk, wenn man überhaupt noch von einem Kunstwerk im traditionellen Sinne sprechen kann, bemißt sich an der ästhetischen Artikulation des Nutzens.

Minard hat zwei verschiedene Strategien entwickelt, um Räume zu komponieren, die mit der architektonischen wie akustischen Umgebung in einen Dialog treten: ›Konditionierung‹ und ›Artikulation‹. Das Verfahren der ›Konditionierung‹ besteht, so Minard, in einem Prozeß, der mit dem des Ausleuchtens, des farbigen Auskleidens eines Raumes vergleichbar ist. Er spricht vom "colouring of space" und meint die Errichtung einer klanglichen Innenarchitektur, die dem Raum, unabhängig von seiner tatsächlichen architektonischen Gestalt, bestimmte raum-modulierende Qualitäten verleiht, wie Licht und Schatten, Hell-Dunkel-Kontrast oder eine einheitliche klangliche Innenhaut. Bei der ›Artikulation‹ eines Raumes handelt es sich um das Hinzufügen der der Architektur fehlenden Dimension, der Zeit oder – umgekehrt formuliert – um die Verräumlichung von Klang. Durch Bewegung von Klängen wird der Raum artikuliert, klangmoduliert und gleichsam klangplastisch ausgestaltet oder ornamental verziert.

Minard liegt mit seinen Arbeiten und seinem Konzept einer ›Musik für den öffentlichen Raum‹ im Grenzbereich zwischen Akustik-Design und Klang-Kunst. Das, was gelungenes Design eines Objektes auszeichnet, seine ästhetische Formung mit der Funktion in eine Synthese zu bringen, trifft auch auf seine Klanginstallationen zu. Die virtuellen Klangwelten, die neuen musikalischen Strukturen und die raumbezogenen Kompositionstechniken folgen den vorgefundenen situativen, architektonischen wie akustischen Bedingungen, integrieren die Modi unserer Tonwahrnehmung ebenso wie die Funktionsweise des Gehörs und stellen sich in den Dienst der Notwendigkeit, in einer neuen ›environmental art‹ die akustische Umwelt zu beeinflussen, zum Nutzen der Menschen zu verändern. Die Klanginstallationen Minards vereinen für den Moment ihrer Existenz künstlerischen Anspruch mit sozialer Verantwortung.

Barbara Barthelmes

aus: Barbara Barthelmes, ›Zwischen Akustik-Design und Environmental Art. Über den kanadischen Komponisten Robin Minard‹ in Positionen, 20, August 1994



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