C h r i s t i n a K u b i s c h
Um 1980 vollzog sich bei Kubisch der Wandel von der Performance zur Klanginstallation (Ohne Titel, 1981). Die Künstlerin zog sich als Akteurin zurück und trat diese Rolle an das Publikum ab. Mit den Klanginstallationen wurde das vielgestaltige Thema des Raumes für Kubisch zentral.

Es entstanden Räume und Landschaften, die, mit Kabeln verspannt, zu Klangbahnen, Wegen, Zelten, Flächen und Skulpturen wurden. Der Besucher konnte mit zwei würfelförmigen Empfangsgeräten die Klänge in den Kabeln (durch elektromagnetische Induktion) erlauschen und ihnen im Raum nachfolgen. Im Magnetischen Wald (1983) waren gelbgrüne, der Umgebung angepaßte Elektrokabel zwischen Bäumen verspannt und um Stämme gerankt. Je nachdem wo man sich mit seinen Würfeln hinbewegte, trat man in einen anderen Naturraum: Er rauschte und zwitscherte, als dialogisierte er mit den Menschen. Ab 1984 benutzte Kubisch Kopfhörer und ging 1987 zur Arbeit mit ›offenen‹ Klängen aus Lautsprechern über.

Ungewöhnliche Räume zogen vermehrt die Aufmerksamkeit von Kubisch auf sich. Ein Bunker unter der U-Bahn (Planetarium, 1987) oder eine unterirdisch angelegte Pferderemise (Kraterzonen, 1988) wurden umgestaltet. Meist waren diese Räume stockdunkel, in ihnen leuchteten geheimnisvoll phosporeszierend pigmentierte Kabel im Schwarzlicht, aus kleinen Lautsprechern raunten diese Stätten von der Vergangenheit. Dazu transformierte sie Ultraschall in den Hörbereich herab.

Nicht nur die Idee fiktiver Räume, sondern auch die einer fiktiven Natur spielt fast durchgängig in den Arbeiten von Kubisch eine große Rolle. Dies gilt nicht nur für die Installationen in Wäldern, Parks und Gärten, sondern auch für die Wiederholungsstrukturen ihrer akustischen Patterns, die wie natürliche Klänge wirken und in jüngster Zeit zum Teil aus natürlichen Klängen gebildet werden. Die Übergänge zwischen Künstlichem und Natürlichem sind fließend. Die Konferenz der Bäume (1989) zeigt fünf reale Bonsai-Bäume auf einem Tisch, an deren raunender Konferenz man mittels eines Kopfhörers teilnehmen kann, indem man zugleich aus der realen Welt heraustritt. Wie Blüten aus dem Inneren eines Maische-Kessels einer Brauerei (Kreisläufe, 1993) leuchteten pigmentierte Lautsprecher. Sie wurden von außerhalb angebrachten Solarzellen gesteuert. Der Klang veränderte sich mit dem Tages- und Nachtlicht. Die fiktive Gestalt der Pflanze erscheint als Symbol der Natur, deren unmittelbare Wahrnehmung nicht (oder nicht mehr) möglich ist. Aber diese Natur erscheint durch Kunst immer noch imaginierbar. Viele Arbeiten von Kubisch zeigen, daß das, was Menschen an ihrer Umgebung begreifen können, auch immer die Spuren ihres Eingriffs trägt.

Helga de la Motte-Haber

aus: Helga de la Motte-Haber, ›Die Ideen der Kunstsynthese‹ in Klangskulpturen – Augenmusik. Grenzgänge zwischen Musik und Plastik im 20. Jahrhundert, Ausstellungskatalog Ludwig Museum, Koblenz 1995




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