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G a r y H i l l Der Ton nimmt in Hills Werken einen wichtigen Platz ein, seit er Ende der sechziger Jahre den bedeutsamen Entschluß faßte, seine verschweißten Metallskulpturen zum Klingen zu bringen. Er benutzte dafür Endlosbänder, mit denen er den Klang der in den Skulpturen verwendeten Materialien aufnahm, den er dann mit dem Synthesizer verfremdete. Für Hill bedeutete es deshalb keinen großen Schritt, auch bei seinen ersten Videos mit Ton zu arbeiten, obschon dies beim damaligen Stand der Technik nur sehr wenige andere Videokünstler taten. In Mesh hatte ein lautes Summen die Funktion, einen physischen Raum einzugrenzen. Beim kurz danach entstandenen Werk Glass Onion diente anstelle von physischen Grenzen der Ton in Form von gesprochener Sprache dazu, die Umrisse der Installation zu markieren. In den Einkanalbändern, die er ungefähr zur gleichen Zeit aufnahm, begann er mit, wie er es nannte, "elektronischer Linguistik" zu experimentieren. In Around and About (1980) zum Beispiel bestimmten einzelne Silben das Wesen und die Veränderung von visuellen Vorstellungen. In Primarily Speaking, das er im folgenden Jahr in Angriff nahm, wurde ihr Verhältnis verschlungener, obschon sich Hill beim Text wiederum vornehmlich auf Redewendungen beschränkte. Indem sie alle Implikationen von Subjektivität auf das Formelhafte reduzieren, betonen Redewendungen eher die Gebräuchlichkeit als die Innerlichkeit. Durch ihre Verwendung zeigt Hill auf, daß Sprache häufig nicht an sich informativ ist, daß die Bedeutung zum Großteil auf abgenutzten Formen wie floskelhaften Phrasen beruht und, stärker noch, auf Kontext anstatt immanentem Inhalt. Da er sich in der Folge auch mit Nonsens, Metalogen und Palindromen beschäftigte, konnte Hill seine Selbstreflektion auf eine nuanciertere und verspieltere Ebene bringen. Hill, der sich hartnäckig als Bildermacher bezeichnet, fasziniert paradoxerweise ebenso die Wirkung, die eine derartige Vorstellung von Sprache für die visuelle Kommunikation haben könnte. In einem kürzlich gegebenen Interview wurde seine Haltung beinahe polemisch, als er bekannte: "Wenn ich einen Standpunkt habe, dann jenen, die privilegierte Stellung, die das Bild und natürlich auch das Sehen in unserem Bewußtsein einnehmen, in Frage zu stellen." Er bekräftigte damit eine frühere Aussage: "Die Sprache kann eine unglaublich starke Materie sein sie hat so etwas an sich, das, wenn es uns gelingt, sie ihrer Geschichte zu entledigen und zu ihrem eigentlichen Wesen vorzudringen, sofort seine Klauen in uns schlägt, während Bilder manchmal einfach am Rande des Bewußtseins vorüberziehen, als ob wir durch ein Autofenster blickten." Lynne Cook aus: Lynne Cook, Gary Hill: Jenseits von Babel in Gary Hill, Ausstellungskatalog Stedelijk Museum Amsterdam und Kunsthalle Wien, Amsterdam 1993 |