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U l r i c h E l l e r s Installationen, die nicht mehr mit dem gewohnten Resonanzklang von Materialien, sondern mit deren für uns unhörbarem Körperschall arbeiten, inszenieren eine komplexe, also unüberschaubare und verwirrende Situation, weil sie die Orientierungsbemühungen des Zuschauer/Hörers zugleich einbegreifen und enttäuschen. Doch im Prozeß der Enttäuschung, also durch die von Neugier getriebene Suche nach Einordnung, entsteht das unerhörte und sich der begrifflichen Identifizierung sperrende Phänomen des Klangs erst wirklich. Interessant ist das deswegen, weil dabei zwar der Klang mit dem, was Eller zeigt, nicht aus der Erfahrung identifiziert werden kann, aber doch Klang und Sichtbares miteinander zu tun haben. Wenn Eller so in einem schmalen, langgestreckten Raum auf der einen Seite einen ganz gewöhnlichen Gong anbringt und auf der anderen Seite Klänge zu hören sind, die durch Regentropfen auf einen Gong verursacht und durch spezielle Mikrofone zur Aufzeichnung des Körperschalls aufgezeichnet wurden, so wird man sowohl akustisch wie visuell in eine paradoxe Situation gebracht. Man kann mit dem Blick nicht visuelles Objekt und Klangursprung gleichzeitig umfassen, man kann aber auch nicht die beiden Wahrnehmbarkeiten wie in der gewohnten Umwelt miteinander akustisch verbinden, auch wenn die Installation gerade diese Synästhesie evoziert und auch bekundet.

Ähnlich setzt Eller eine der großen rauschenden Meeresmuscheln ein, in die er ein Mikrofon einbaut und mit deren Tentakeln er dann Wände und Böden entlangfährt. Die aufgezeichneten Geräusche werden gemixt und durch einen in der Installation unsichtbaren Zuspieler über einen Schlauch wieder in die Muschel eingespielt, die sich mir ihren seltsamen und fremdbleibenden Klangsequenzen für den Zuhörer unvorsehbar in wechselnden Zeitabschnitten meldet. So rücken uns Klänge und Sichtbares auf den Leib, verstören das Bewußtsein, lassen auch biologisch eintrainierte Orientierungsleistungen der Wahrnehmung unterschreiten und erzeugen eine poetische Situation, in der sich, bedingt durch kognitive Dissonanz, die Wahrnehmung zeitweise für eine intensionslose Zeugenschaft von Klängen und Gesehenem öffnen kann.

Florian Rötzer

aus: Florian Rötzer, ››Inszenierungen des Unerhörten‹‹ in Ulrich Eller, Ausstellungskatalog, Neuer Berliner Kunstverein und Stadtgalerie Saarbrücken, Berlin, 1992



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